Bild: © Kanton Aargau
Artikel aus aqua viva 4/2023
Gewässerunterhalt und Artenvielfalt
Gewässerunterhalt und Artenvielfalt
Im Gewässerunterhalt werden jedes Jahr viele Eingriffe im Wasser oder auch im Gewässerraum ausgeführt. Hochwasserschutz und Artenvielfalt stehen dabei nicht in Konkurrenz zueinander. Jeder Eingriff ist auch eine Chance für die Artenvielfalt. Massnahmen müssen jedoch immer der Situation angepasst sein und so schonend wie möglich ausgeführt werden.
Von René Binkert
«Die beste Planung nützt nichts, wenn Sie mangelhaft ausgeführt wird. Forstdienst, Bauämter oder Landwirt:innen sind fest in der Region verankert und bringen die nötigen Gebietskenntnisse als Grundlage für eine gute Qualität des Gewässerunterhaltes mit.»
René Binkert, Kanton Aargau
Mit den folgenden Grundsätzen können Hochwasserschutz und Artenvielfalt verbunden werden.
- Vorbeugen ist besser als heilen.
- So viel wie nötig, so wenig wie möglich.
- Das Richtige am richtigen Ort.
- Jeder Eingriff ist auch eine Chance für Tiere und Pflanzen.
Vorbeugen ist besser als heilen
Durch eine gute Planung, welche die verschiedenen Lebensraumtypen berücksichtigt, können mit gezielten Massnahmen langfristig Hochwasserschutz und Artenvielfalt sichergestellt werden. So können grössere Massnahmen verhindert und gezielt Eingriffe auch auf mehrere Jahre verteilt werden.
Eine Jahresplanung hilft, die Arbeiten zu koordinieren und der Jahreszeit entsprechend auszuführen. So können Erkenntnisse, welche im Vorjahr gemacht wurden, in die nächste Planung einfliessen. Die beste Planung nützt nichts, wenn Sie mangelhaft ausgeführt wird. Forstdienst, Bauämter oder Landwirt:innen sind fest in der Region verankert und bringen die nötigen Gebietskenntnisse als Grundlage für eine gute Qualität des Gewässerunterhaltes mit.
Es sind viele Merkblätter vorhanden, welche wichtige Hinweise geben, wie der Gewässerunterhalt zielgerichtet ausgeführt werden kann. Es gibt zudem auch gute Weiterbildungsangebote wie zum Beispiel der Kurs «Gewässerwart» von Push.
So viel wie nötig, so wenig wie möglich
Ein stabiles Ufergehölz befestigt Uferböschungen und beschattet das Gewässer. Schwarzerlen bilden besonders wertvolle Lebensräume für verschiedenste Tiere im und am Wasser.
Eine selektive Pflege ist immer zielgerichtet und beschränkt sich auf die positiven Elemente im Ufergehölz, wie zum Beispiel eine Schwarzerle, ein alter Weissdorn, eine grosse Eiche oder ein Asthaufen ausserhalb des Abflussprofils. Diese müssen gezielt gefördert werden. So wird immer dem Ziel entsprechend die gleiche Baum- oder Strauchart gefördert. Es werden keine Bäume und Sträucher ohne Grund entfernt. Dadurch gibt es nach der Pflege Abschnitte, welche unberührt bleiben und Aufgaben wie Versteck, Aufzucht der Jungtiere und Futterquellen erhalten.
Das Richtige am richtigen Ort
Durch einen korrekt ausgeführten Mähunterhalt wird eine gute Durchwurzelung der Uferböschung sichergestellt und gleichzeitig die Artenvielfalt erhalten.
Je nach Vegetationstyp gilt ein anderer Schnittzeitpunkt und es wird in der Regel ein Schnitt pro Jahr ausgeführt. Es darf erst nach dem Blühen gemäht werden, damit sich Samen ausbilden können.
Beim Mähen muss den Insekten die Möglichkeit zur Flucht gegeben werden. Darum ist ein Schnitt mit einem Motormäher einem Freischneider vorzuziehen. Rückzugsstreifen sind wertvolle Lebensräume, in welche vor allem Insekten sich beim Mähen zurückziehen können. Wo gemäht wird, sollte das Schnittgut mindestens einen Tag liegen bleiben, um den Insekten die Möglichkeit zur Flucht zu bieten.
Vor allem Hochstauden beschatten das Gewässer und durchwurzeln die Uferböschung. Darum ist das alternierende Mähen zu bevorzugen. Hierbei werden am Wasser Streifen nicht gemäht und jedes Jahr andere Bereiche stehen gelassen. Bereiche, die mit Brombeeren oder anderen Problempflanzen bestockt sind, müssen jährlich gemäht werden und dürfen nicht stehen gelassen werden, um die Ausbreitung zu verhindern.
Jeder Eingriff ist auch eine Chance für Tiere und Pflanzen
Bauliche Massnahmen sind starke Eingriffe im und am Wasser. Jeder Eingriff sollte genutzt werden, um die Lebensraumqualität zu verbessern. Auch die Frage, ob ein Eingriff nötig ist oder nicht, sollte immer gestellt werden. Auflandungen beeinträchtigen das Abflussprofil und müssen in regelmässigen Abständen entfernt werden. Im Uferbereich ergibt sich dadurch ein neuer Lebensraum: Wo vorher ein nährstoffreicher Wiesenstandort war, ist nun wieder eine Kiesbank, welche für Pionierarten ein wertvoller und wichtiger Lebensraum ist.
Uferverbauungen sollen so gebaut werden, dass sie sich entwickeln können. Mit Holzkasten, Wurzelstämmen und Faschinen entwickelt sich im Laufe der Zeit ein neuer Lebensraum, der natürlich und dementsprechend auch artenreich ist.
Naturschutzvereine oder auch Fischervereine können in den Gewässerunterhalt eingebunden werden. Sie haben gute Ortskenntnisse und können zum Beispiel bei der Bekämpfung von Neophyten einen wichtigen Beitrag leisten.
Autor
René Binkert
Ausbildung als Forstwart und Weiterbildung als Natur und Umweltfachmann. Angestellt im Gewässerunterhalt beim Kanton Aargau seit 2021.
Kontakt
René Binkert
Departement Bau, Verkehr und Umwelt
Entfelderstrasse 22, 5001 Aarau
rene.binkert@ag.ch