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Dächer bebauen statt Bäche stauen

Medienmitteilung - 8. August 2022

Die Wasserkraftnutzung in der Schweiz ist eine Geschichte des kontinuierlichen Wachstums. Allein in den letzten 15 Jahren wurden 364 Wasserkraftanlagen neu in Betrieb genommen. Ein Grossteil in nur wenig beeinträchtigten Gewässern, viele sogar in geschützten Gebieten. Das Potential ist erschöpft, Bäche und Flüsse leiden. Mit dem aktuell erschienenen Themenheft «Energiewende und Gewässer» zeigt Aqua Viva, warum es an der Zeit ist, das riesige und ökologisch nachhaltigere Potential vor allem der Solarenergie zu nutzen.

«Der Preis für das unaufhörliche Wachstum der Wasserkraftnutzung ist der Verlust unserer natürlichen Gewässer und ihrer Artenvielfalt. Es ist an der Zeit, den ausgetretenen Pfad der Wasserkraft zu verlassen und auf kostengünstigere und ökologisch nachhaltigere Alternativen zu setzen», sagt Salome Steiner, Geschäftsleiterin von Aqua Viva.

Im Themenheft zeigen Expert:innen aus Verbänden, Wissenschaft und Politik die brachliegenden Potentiale in den Bereichen Solarenergie, Energieeffizienz und Suffizienz. So könnte allein durch entsprechende Massnahmen im Bereich der Energieeffizienz bis zu einem Drittel des heutigen Energieverbrauchs gespart werden. Und mit Hilfe der Solarenergie liessen sich nur auf Dächern und Fassenden bis zu 67 TWh Strom pro Jahr produzieren. Die Solarenergie könnte zudem einen wichtigen Beitrag zur Winterstromproduktion leisten: Denn in den Alpen kann der Winterertrag sogar höher ausfallen als die Sommerernte. Doch es geht viel zu langsam voran. Beim aktuellen Sanierungstempo würde der Schweizer Gebäudebestand erst in rund 100 Jahren einen akzeptablen energetischen Zustand erreichen. Und bei der Solarenergie bremsen tiefe Ausbauziele und fehlende finanzielle Anreize den dringend benötigten Zubau.

Vom oftmals beklagten Stillstand beim Ausbau der Wasserkraft kann hingegen keine Rede sein. Dank Subventionen und teilweise grosszügig ausgelegten Umweltvorschriften ist deren Produktionsleistung kontinuierlich gestiegen. Im Rahmen der Energiestrategie 2050 soll die Stromerzeugung aus Wasserkraft bis 2035 nun nochmals auf insgesamt 37,4 TWh steigen – bis 2050 sogar auf 38,6 TWh. Solche Dimensionen hält selbst das BFE für nicht realistisch. In der aktuellsten Potentialanalyse von 2019 geht es von einem maximalen Ausbaugrad von 36,9 TWh im Jahr 2050 aus. Dieser wäre heute bereits zu 99,5 Prozent erreicht.

Viele der in den letzten Jahren neu in Betrieb genommenen Anlagen sind sogenannte Kleinstwasserkraftwerke mit einer Produktionsleistung von weniger als 300 kW. Heute gibt es rund 900 solcher Anlagen in der Schweiz. Sie machen 57 Prozent des gesamten Kraftwerksparks aus, produzieren jedoch weniger als 1 Prozent des Wasserkraftstroms. Ihr Beitrag zur Energiewende steht somit in krassem Missverhältnis zum ökologischen Schaden. Statt die unrentable Kleinstwasserkraft mit Fördermitteln weiterhin künstlich am Leben zu erhalten, sollte der Bund stattdessen die günstigere Solarenergie fördern.

Gewässer sind die am stärksten bedrohten und beeinträchtigten Lebensräume der Schweiz. Heute gelten lediglich noch rund 5 Prozent unserer Fliessgewässer als mehr oder weniger intakt. Das ist zu wenig. Wir können die Energiewende schaffen und ausreichend Strom erzeugen, ohne dabei die Biodiversitätskrise weiter zu verschärfen. Hierzu gilt es, der finanziellen Bevorteilung der Wasserkraft ein Ende zu setzen und stattdessen konsequent in Energieeffizienz und den Ausbau der Solarenergie zu investieren. Auch die gesetzlichen Vorschriften zur Sanierung bestehender Anlagen müssen endlich konsequent umgesetzt werden.

freie Bilder

Jährliche mittlere Produktionserwartung aller Wasserkraftanlagen der Schweiz 1913 bis 2021. Grafik: Eigene Darstellung gemäss BFE 2022.
Quellen

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Tobias Herbst

Tobias Herbst

Bereichsleiter Kommunikation

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